Natürlich schwanger
Wie der Körper funktioniert und was Sie tun können
Immer wieder stellen wir fest, dass trotz modernster Technik, das Wissen um den eigenen Körper und Zyklus verloren gegangen ist. Auf vielen Internetseiten finden wir teilweise fragwürdige Empfehlungen. Apps auf dem Handy suggerieren, wann der optimale Zeitpunkt für den Geschlechtsverkehr ist. Studien haben aber längst belegt, dass die eigene Selbstbeobachtung und das Kennen und Wahrnehmen der Zeichen unseres Körpers allen Apps überlegen ist. Darum sehen wir es als unsere Aufgabe, Sie zu informieren und zu bestärken, Ihren Körper neu kennenzulernen und dessen Signale wahrzunehmen.
Das Wissen um den weiblichen Zyklus ist die Grundlage für die natürliche Familienplanung und das Aufdecken von Problemen.
Vereinfacht basiert der weibliche Zyklus auf dem Zusammenspiel zwischen Botenstoffen (Hormonen), Gehirn und Zielorganen (Gebärmutter und Eierstöcken). Es gehen monatlich wiederkehrende Veränderung der Gebärmutterschleimhaut und die parallel dazu stattfindende Eizellreifung einher, alles gesteuert durch einen hormonellen Regelkreis. Zyklusbeginn ist der erste Tag der Regelblutung.
Eine „normaler“ Zyklus kann eine Zykluslänge von 25 bis 35 Tagen betragen. 2/3 aller gesunden Frauen haben Schwankungen der Länge bis zu 7 Tagen, damit verschieben sich auch die fruchtbaren Tage. Der Eisprung findet zyklusunabhängig etwa 14 Tage vor Zyklusende statt. Bei einer Zykluslänge von 28 Tagen, wäre der Eisprung am 14. Zyklustag. Verlängert sich der Zyklus beispielsweise auf 35 Tage, wäre am 21. Zyklustag der Eisprung. Der weibliche Zyklus wird durch Stress, Schlafmangel, Schichtdienst, Reisen, etc. beeinflusst und „funktioniert“ jeden Monat anders.
Um Ihren optimalen Zeitpunkt für Ihren Eisprung zu ermitteln, beraten wir Sie gerne und bieten Ihnen die Möglichkeit, mittels eines Zyklusmonitorings, Ihre Körpersignale durch eine moderne Ultraschalluntersuchung abzugleichen. Das Wissen über das exakte Timing des Eisprungs ist wichtig, da die Eizelle nur 18 Stunden befruchtungsfähig ist.
Der Hypothalamus (Gehirn) schüttet den Botenstoff GnRH regelmäßig alle 90 min aus. Dieses bewirkt an der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) die Ausschüttung eines weiteren Botenstoffes, dem FSH (follikelstimulierendes Hormon), welches die Eireifung am Eierstock bewirkt. Im reifenden Eibläschen (Follikel) entsteht Östrogen, welches seinen maximalen Wert erreicht, wenn die Eizelle reif ist. Wird eine bestimmte Menge an Östrogen überschritten (Östrogenschwellenwert) kommt es zum Eisprung (Ovulation) durch LH (luteinisierendes Hormon)-Ausschüttung der Hirnanhangsdrüse. Nach dem Eisprung spricht man von der Gelbkörperphase, in der Progesteron der dominierende Botenstoff ist und ca. eine Woche für eine stabile Gebärmutterschleimhaut sorgt. Liegt keine Schwangerschaft vor, fällt der Progesteronspiegel und es kommt zur erneuten Regelblutung.
Östrogen – wird im Follikel gebildet und fördert das Wachstum der Gebärmutterschleimhaut
Progesteron – wird im Gelbkörper gebildet, wandelt die Gebärmutterschleimhaut um, stabilisiert diese bis zum Eintreffen des Embryos
FSH – Follikelstimulierendes Hormon wird in der Hypophyse gebildet und lässt Eibläschen (Follikel) heranreifen
LH – luteinisierendes Hormon wird in der Hypophyse gebildet und ist für den Eisprung zuständig
Blutung/Menstruation findet meist zwischen dem 1.-7. Zyklustag statt.
Die Schleimhaut (Endometrium) wird durch das Östrogen, das bei der gleichzeitig stattfindenden Eibläschenreifung gebildet wird, aufgebaut (bis ca. 14 Zyklustag). In der Zyklusmitte kommt es durch den hohen Östrogenspiegel zu einer LH-Ausschüttung, wenn ein Östrogenschwellenwert überschritten wird. 90% aller Eisprünge finden 24-36 h statt, nachdem das Hormon LH sein Maximum erreicht hat. Falls keine Befruchtung stattfindet bildet sich der Gelbkörper zurück, das Progesteron im Blut fällt ab und es kommt zu einer erneuten Menstruation.
Nach dem Eisprung (Ovulation) wandelt sich das Eibläschen (Follikel) zum Gelbkörper (Corpus luteum) um. Jetzt steht die Progesteronsynthese im Vordergrund. Der Gelbkörper gibt seine Funktion nach 12-14 Tagen auf, wenn keine Schwangerschaft eingetreten ist.
Die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung (Konzeption) ist bei Geschlechtsverkehr ein bis zwei Tage vor dem Eisprung am höchsten. Die durchschnittliche Empfängniswahrscheinlichkeit liegt bei bis zu 28%, wenn fruchtbare Tage bekannt sind. Am Tag des Eisprungs liegt die Wahrscheinlichkeit bei 10,3%. Einen Tag später sogar nur noch bei 0,8%. Dies hängt mit der Lebensdauer der Eizelle zusammen.
Natürliche Familienplanung (NFP)
Verschiedenen Methoden basieren auf Selbstbeobachtung der Frau während des Zyklus und der Interpretation der Zeichen. Körperliche Zeichen zu erkennen und zu deuten ist der Technik überlegen. Nicht alle der folgenden Symptome können Sie vielleicht bei sich selbst beobachten. Das macht nichts. Jede Frau ist individuell und es kann ganz normal sein, keinen Mittelschmerz zu haben und trotzdem haben Sie einen normalen Eisprung (Ovulation).
Hier nun eine Übersicht über die klassischen Körperzeichen zum Zeitraum der Ovulation:
- Vor dem Eisprung ist der Zervixschleim, gläsern, spinnbar, durch Östrogenanstieg
- ggf. Mittelschmerz bei Ovulation
- Nach dem Eisprung wird der Zervixschleim zäh und weiß
- Temperaturanstieg nach Ovulation um 0,4 Grad
- ggf. Brustsymptom
Lifestyle und Chancen
Oft werden wir gefragt, was Sie als Paar selbst tun können, um Ihre Chancen zu verbessern. In den sozialen Medien finden Sie zahlreiche, teilweise sehr fragwürdige Ratgeber. Eine gesunde Lebensweise kann die Chancen für eine Schwangerschaft deutlich verbessern. Epidemiologische Studien zeigen, dass Lebensstil-Faktoren einen kumulativen Effekt auf die Schwangerschaftschancen haben und die Zeit bis zum Eintritt einer Schwangerschaft verlängern können. Umgekehrt ist bewiesen, dass eine Verbesserung dieser Faktoren die Fertilität steigert.
Unserer Meinung nach macht es Sinn an folgenden Punkten zu arbeiten:
Nikotin
Rauchen beeinträchtigt die Fertilität von Mann und Frau maßgeblich. Dabei werden die Keimzellen, also Spermien und Eizellen, durch über 4000 chemische Substanzen (darunter Nikotin, Alkaloide, Kohlenmonoxid, Zyanid, Metalle, etc.) geschädigt. Zu den möglichen Schäden gehören:
- DNA-Schäden (sog. Fragmentationen) bei Spermien und Eizellen
- Durchschnittliche Reduktion der Spermienkonzentration um ca. 22%
- Erschwertes Eindringen des Spermiums in die Eizelle durch Wandverdickung
- Follikelschädigung
- Ansteigen des Sterilitätsrisikos um 60%
- Raucherinnen kommen 2-3 Jahre früher in die Wechseljahre
Bei einem Nikotinkonsum der Frau von >10 Zigaretten pro Tag wurde ein statistisch signifikanter Einfluss auf die Fruchtbarkeit nachgewiesen. Aber auch beim Passivrauchen wird das hormonelle Zusammenspiel zwischen Gehirn und Eierstöcken negativ beeinflusst. Hierbei kommt es zu Störungen der Follikelreifung und der Gelbkörperphase, was eine Kinderwunschbehandlung deutlich erschwert. Die Schwangerschaftsraten sind, im Vergleich zu Nichtraucherinnen, verringert und es werden mehr Versuche benötigt. Zudem haben Raucherinnen ein erhöhtes Risiko für Eileiterschwangerschaften, da die Beweglichkeit der Eileiter eingeschränkt sein kann. Es werden außerdem erhöhte Fehlgeburtsraten beschrieben.
Anders als beim Mann sind die weiblichen Eizellen bereits vor der Geburt angelegt und können nicht nachgebildet werden. Daher wirkt sich der Nikotinkonsum auch schädigend auf die Eierstöcke des weiblichen Fötus aus. Der toxische Einfluss des Zigarettenrauchs ist jedoch nicht nur schädlich für die weiblichen, sondern auch für die männlichen Föten, denn große epidemiologische Studien zeigen, dass die spätere Spermienproduktion von Söhnen rauchender Mütter reduziert ist.
Gewicht
Sowohl Untergewicht als auch Übergewicht sind ein Problem für den Kinderwunsch und auch für die folgende Schwangerschaft. Die meisten Studien zeigen bei Frauen mit einem BMI > 27 kg/m2 oder < 17 kg/m2 häufiger Ovulationsstörungen und eine dadurch resultierende Infertilität .
Untergewicht
In Deutschland leiden wahrscheinlich mehr als eine Million Frauen unter Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie. Bereits in Pubertätsentwicklung ist das Einsetzen der Menstruation an ein gewisses Körpergewicht (Mindestkörperfettmasse) gekoppelt. Reguliert wird dies durch das Hormon Leptin, das im Fettgewebe gebildet wird und eine gewisse Schwelle überschreiten muss, um eine Follikelentwicklung frei zu schalten.
Das gilt auch in der Zeit nach der Pubertät, wo ein starkes Absinken des Körpergewichts zum Ausfall der Zyklusfunktion führen kann.
Das Entscheidende für die Prognose ist hier:- Wie gravierend ist der Gewichtsverlust?
- Wie lange dauert das Untergewicht an?
Physiologisch kommt es beim Untergewicht, bspw. durch Essstörungen und Leistungssport, zu „chronischem Stress“ für das Gehirn. In Folge dessen setzt die Menstruation aus, was als „hypogonadotropen Hypogonadismus“ bezeichnet wird. Es kann Jahre dauern bis sich das Hormonsystem, auch nach Normalisierung des Körpergewichts, wieder erholt hat. Wenn der Zustand des Untergewichts zu lange andauert, ist der Schaden nicht mehr zu beheben.
Viele Frauen werden mit dem Krankheitsbild des sogenannten „hypogonadotropen Hypogonadismus“ (Unterfunktion der Keimdrüsen) allein gelassen. Uns gelingt es in diesen Fällen, die natürliche Hormonausschüttung mittels GnRH-Behandlung zu imitieren. Nach kurzer Zeit beobachten wir wieder ein Ansprechen der Eierstöcke mit einer Follikelreifung bishin zum Eisprung. Auch die Gebärmutterschleimhaut fängt wieder an sich aufzubauen. Nach langjähriger Erfahrung können wir sagen, dass sich die Schwangerschaftschancen durch diese Behandlung wieder normalisieren.
Übergewicht
Daten des statistischen Bundesamtes 2017 besagen, dass 43% der in Deutschland lebenden Frauen übergewichtig und 14% adipös sind. Besonders dramatisch ist die Entwicklung in jüngeren Jahren. Übergewicht (schon ein BMI zwischen 25-30 kg/m2) führt auch bei regelmäßigen Zyklen zu einer Erniedrigung der Schwangerschaftsraten und eine um 30% reduzierte Schwangerschaftswahrscheinlichkeit. Zudem haben übergewichtige Frauen ein höheres Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und eine erhöhte Fehlgeburtsrate.
Auch im Rahmen einer künstlichen Befruchtung kommt es durch eine reduzierte Eizellqualität- und Quantität zu niedrigeren Schwangerschaftsraten. Nicht zuletzt müssen wir darauf hinweisen, dass unter einer solchen Behandlung eine höhere Medikamentendosis notwendig ist, was die Behandlungskosten entsprechend steigen lässt.
Vitamin D
Vitamin D hat einen positiven Einfluss auf die Fertilität. Daher sollte der Vitamin D Haushalt ausgeglichen sein. Der tägliche Bedarf liegt bei 800-1000 i.E. Vitamin D ist wichtig für unseren Knochenaufbau und in einer Schwangerschaft für den des Kindes. Allerdings sollte Sie darauf achten, dass die Vitamin D Konzentration im Blut nicht höher als 60-70 ng/ml ist.
Folsäure
Die Einnahme von Folsäure ist wichtig, um die Entstehung von Neuralrohrdefekten (z.B. offener Rücken) in den ersten Wochen einer Schwangerschaft zu verhindern. Derzeit wird eine Dosierung von 400-800ug über mindestens 4-8 Wochen empfohlen, um die Speicher zu füllen.
Psychosoziale Unterstützung
Der lange unerfüllte Kinderwunsch, der Weg durch eine Kinderwunschbehandlung und die damit verbundenen Ängste, Sorgen und Zweifel nagen sehr an der psychischen Substanz und belasten viele Frauen und Paare. Das spiegelt sich auch in der hohen Abbruchrate von Kinderwunschbehandlungen wieder. Als Hauptursache für den Abbruch einer Kinderwunschbehandlung wird die psychische Belastung genannt. Zusätzlich belastend sind Mythen um den unerfüllten Kinderwunsch und gut gemeinte Ratschläge von allen Seiten.
Ein unerfüllter Kinderwunsch bedeutet Stress auf vielen Ebenen. Wir vertreten die Ansicht, dass Sie sich während einer Behandlung emotional so gut wie möglich fühlen sollten. Aus langjähriger Erfahrung wissen wir jedoch, dass eine psychosoziale Unterstützung nur selten in Kinderwunschzentren angeboten wird.
Frau Dr. Ute Bungard (Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin), Frau Katharina Voss (Dipl.-Psychologin) und Frau Christiane Hölkemeier (systematische Therapeutin und Heilpraktikerin) unterstützen Sie und uns auf unserem gemeinsamen Weg des Kinderwunsches. Durch die psychosoziale Begleitung können Sie eine Entlastung der eigenen Lebenssituation erreichen, indem die Paarkommunikation unterstützt und Strategien zum Umgang mit Familie, Freunden oder Job erarbeitet werden. Denn wenn Ihr emotionales Gleichgewicht gestärkt ist, haben Sie wieder Ressourcen für die Kinderwunschbehandlung.